Weihnachten in den Bergen

Ich gebe es ja zu, ich bin ein Romantiker. Aus diesem Grund wollte ich die vergangene Weihnachtsfreude meiner Kindheit mit dem feierlichen Ernst eines Erwachsenen verbinden. 

Freunde rieten mir zu Österreich. Tief verschneite Berge, schöne frische Bergluft, hervorragende Gastronomie und nicht zu vergessen, der klangvolle Dialekt. Also das war es in der Tat. Da muss der kleine Ulli hin!

Im Reisebüro kam ich in ein Erstaunen, denn die Dame dort riet mir zu St. Oswald, Kärnten. Dort wäre ein ganz zauberhaftes Weihnachten quasi Programm. Nun gut, wenn eine Expertin das sagt, wird’s schon stimmen. Kaum Daheim angekommen, packte ich meinen Koffer und raste zur Bahn. Freude im Herzen und endlich mal wieder richtig schönes Weihnachtsfest.

Zweimal umsteigen, München, Graz und jetzt aber, der Regionalexpress brachte mich dem Ziel näher. Beschwerlich wurde es dennoch. Ich sage nur: Zug, noch ein Zug, Bähnlein, Bus, Schlittenfahrt. Und ich hatte einen schweren Koffer dabei. 

Schnaufend entstieg ich dem letzten Bahnvergnügen in Spittal an der Drau, wo bereits mein vorbestellter Schlitten wartete. „Ich habe einen sehr schweren Koffer dabei“, erklärte ich meinem Fuhrmann in der Hoffnung, er hilft mir den zum Schlitten zu tragen. „I wart scho …“ sagte er freundlich und zog dampfend an seinem Tschick. Was soll ich sagen? Es wurde den Umständen zum Trotz eine wunderschöne Schlittenfahrt durch eine Traumlandschaft.

Langsam wurde es dunkel. In warmes Licht getaucht strahlte die kleine Dorfkirche einladend zu mir herüber. Es war der 24. Dezember, die heilige Nacht brach an. Flugs machte ich mich auf den Weg in die Kirche. Als ich eintrat umgab mich bereits ein wundersames Gefühl von Vertrautheit, Vorfreude und anheimelndes Wohlsein. Neben dem Altar stand eine Krippe. Ich trat näher heran, bestaunte die kunstvoll geschnitzten Figuren. Neben mir stand ein Einheimischer der mich mit prüfendem Blick musterte. „Also so eine schöne Maria, ein Meisterwerk der Schnitzkunst“, versuchte ich zaghaft eine Unterhaltung. „Oan Piefke, ja gibt’s dess ah?“ „Äh bitte?“ „Geh, dess is unsere Sissy metnm Franz-Josef, du Depp. Un jetz pflanz di do nieder, geb Obacht, mir fange glei oa.“

Ein Kinderchor begann zu singen, die Kerzen am Weihnachtsbaum leuchteten, das Krippenspiel begann. Ich hatte es vorab überhaupt nicht bemerkt, in einer bis dahin dunklen Ecke, nunmehr von Scheinwerfern erhellt, stand noch eine Krippe mit Darstellern des Bauerntheaters. Schön wars! Der Pfarrer begann die Einleitung eines modernen Weihnachtsmärchens: „Es begab sich aber zu der Zeit, wo Kaiser Augustus über Twitter sein Volk zu sich nach Jerusalem rief, um es zu zählen. Auch Josef und Maria machten sich auf den Weg. Als fromme Öko-Menschen kamen sie zu Fuß, begleitet von einem Eselchen, während all die anderen Esel den umweltschädlichen Palmexpress nahmen. Dort kamen sie in einem Stall unter, wo Maria die heilige Greta gebären sollte. 

Es kamen hochgestellte Persönlichkeiten aus aller Herren Länder, der lieblichen Greta zu huldigen und ihr Geschenke darzubringen. Zuerst kam der Sebastian. Ein Schönling von langem Wuchs, kurz, also kurzes Haar und jedermann staunte. Hatte er die Geschenke vergessen? Erklärend sprach er die weisen Worte: „ Für mich ist nicht entscheidend, wer in der Hofburg hockt, wer Augarten-Porzellan verteilt. Politiker können dem Volk nichts schenken, denn es ist durch Steuern eh schon bezahlt.“ Aber er reicht dem Kind einen Zettel. „Do machst dei Kreuz, wanns amoal groß bist.“

Klein Greta kicherte belustigt vor sich hin.

Ein Vertreter aus dem fernen Japan überreichte Greta eine Puppe, die sogar sprechen konnte. Immer wenn man der Puppe eine Babypuppe in den Arm legte, sagte diese: „My first Soni …“

Ein Mohr trat heran. In der Hand einen Google-Übersetzer sprach er etwas unverständlich nuschelnd etwas, da so ähnlich klang wie Akuh Allah … doch der elektronische Übersetzer wusste Hilfe, mit der letzten Kraft schwindender Energie übersetzte er: Akku ist alle …  so kamen wir nicht mehr in den Genuss seiner sicherlich lieben Worte.

Von draußen kam ein mächtiges Brummen, dann zischte und quitschte es. Der weihnachtliche Coca-Cola-Truck stand vor der Tür. Ihm entstieg ein blonder Weihnachtsmann, Haare im Stil eines rebellischen Rockers polterte er in die Kirche und rief: „I´m Donald, DER Weihnachtsmann!“ Klein Greta verzog das Gesicht, Zornesröte flutete ihre Wangen, so sprach sie ihre ersten Worte: „How dare you …“

Versöhnlich sang der Kinderchor: Ihr Ökos, oh kommet, oh kommet doch all …

Ganz ehrlich, so schöne Weihnachten habe ich noch niemals erlebt. So nahe am aktuellen Geschehen, trotzdem feierlich inszeniert. Von diesem Moment an beschloss ich mein Leben zu ändern, kein umweltschädigendes Methan durch Blähungen sollte mehr die Welt verpesten, ich gehe zum Arzt und lasse mich behandeln.

Mein Zimmer ziert jetzt ein Porträt von Greta, ich ernähre mich nur noch durch Körnerfutter , verneige mich mehrmals täglich gen Schweden, heize nicht mehr, trage Kleidung aus Jutesäcken und bin soooo glücklich. Und zu den kommenden Weihnachten fahre ich dann mit dem Fahrrad nach St. Oswald.

Frohes Fest, Hosiannah und Greta in der Höh!

… oder so ähnlich …

Veröffentlicht von:

Ulli Zauner

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