Fliegen mit Wilma

Immer wenn ich mal einen Tagesausflug nach München per Flugzeug mache, einmal Schweinswürstl mit Kraut und eine gescheite Maß genieße, falle ich auf dem Hinflug durch konstantes Grinsen und gelegentlichem Lachen auf. Natürlich hat das seinen ganz speziellen Grund, denn es gab einmal eine solche Reise, wo ich ein nettes Girl namens Wilma begleitete, die erstmalig im Leben einen Flieger nutzte.

Eigentlich begann es recht unauffällig. Wilma hatte sich verliebt, der Märchenprinz wohnte in München und Wilma ein paar hundert Kilometer entfernt von ihm. Keine gute Konstellation, also musste eine möglichst schnelle Anreise erfolgen. Ich riet Wilma zu fliegen, ich begleite sie, damit sie nicht lange überlegen muss, wie geht einchecken, wie boarding usw.,  usw. 

Das war auch tatsächlich vonnöten, denn am Abreisetag begann ein kleines Drama.

„Wilmalein, wir treffen uns am Terminal 2, bei Kranichair am Check-In.“ Äh, wo, was ist checkin?“ Sie wurde spontan schon nervös. Geduldig erklärte ich ihr am Telefon was wo ist, und wenn noch etwas sein sollte, ich habe ja mein Smartphone dabei, kann überhaupt nichts passieren. Mir passierte auch nichts, nur Wilma.

Früher Morgen in der Abflughalle. Überpünktlich stand ich vor dem Check-In und wartete auf Wilma. Das Smartphone signalisierte einen Anruf, Wilma: „Ich bin jetzt da, sehe Dich nicht, wo bist Du?“ „Na hier am Schalter, schau dich mal um, links von mir ist ein Tabak-Shop, rechts beginnt die Sicherheitskontrolle, Schalter 25 …“ „Sowas hat´s hier nicht … Schalter geht nur bis Nummer 10 …“

Ich kratzte mich am Kopf, wo war die Maus? Nach endloser Befragung kam ich dahinter, Wilmalein war im falschen Terminal. Nochmals erklärte ich ihr alles, schlug aber vor, sie soll dort stehen bleiben, ich fahre mit dem Shuttle schnell zu ihr und hole sie ab. Wen sah ich unterwegs in einem anderen Shuttle an mir vorbeifahren, Panik im Gesicht? Wilma!

Nach längeren Telefonaten, Erklärungen, Hinweisen und dergleichen kam das Wunder zustande. Wir trafen uns am Schalter 25. Wow! Wilma leicht blass um die Nase: „Und was jetzt?“ „Bordkarte holen, dann gehen wir zum Gate.“ Wilma verstand nur Bahnhof, suchte endlos in ihrer Tasche nach dem Ticket. Es war zu befürchten, sie hatte es noch Zuhause auf dem Küchentisch. Zum Glück war dem nicht so, wir nahmen die Bordkarten in Empfang und marschierten zum Gate. Ich hielt unterwegs ihre Hand, damit sie nicht auf Fluchtgedanken kam.

Endlich saßen wir im Flieger. Die letzten Passagiere stiegen ein, die Tür wurde geschlossen und es kamen die obligatorischen Ansagen. „Geht es jetzt etwa schon los?“ Wilma noch blasser als zuvor. Während des Pushbacks gab es einen kleinen Ruck. „Ist das was kaputt gegangen, müssen die dann nicht anhalten und nachsehen?“ Oh Wilma …

Wir fuhren auf dem Taxiway, während Wilma sich wunderte warum der so lange herum fährt. Grinsend erklärte ich ihr, vielleicht ging vorhin doch was kaputt und jetzt geht’s über die Autobahn nach München … Entsetzter Blick, sich krampfhaft an den Sitz klammernd murmelte Wilma so etwas das wie A … loch klang. War nicht sehr nett von ihr.

Der Start, die Triebwerke heulten auf, sanft wurden wir durch die Beschleunigung in die Sitze gepresst, die Maschine wurde immer schneller. „Was macht der denn jetzt? Ist das normal?“ „Na, so ein bisschen Anlauf braucht´s schon um in die Luft zu gehen …“ Wilma völlig aufgelöst: „Der rollt ja immer noch, kommt der nicht hoch? Was ist, wenn der nun gegen ein Haus fährt? Sollte der nicht besser eine Notbremsung machen und gucken was kaputt ist …?“

In diesem Augenblick hoben wir ab. Wilma schaute kurz aus dem Fenster: „Wie hoch will der denn noch? Ist das nicht gefährlich?“ Es folgte kurze Zeit später die Ansage des Kapitäns, Reiseflughöhe von 9800 Meter erreicht. „Wie hoch? Ist der bekloppt? Wie will der denn da wieder gesund runter kommen? Hätte ich das alles nur vorher gewusst … wenn wir nun abstürzen …“

Die Stewardess kam vorbei, ich orderte zwei Fläschchen Pikkolo. „Wilmalein, jetzt nimm mal ´nen Schluck, das entspannt und lockert auf.“ 

Wilma legte die rechte Hand auf die Stirn, wischte den Angstschweiß ab. „Wie kannst Du in dieser Situation nur ans Trinken denken …?“ Das ich dann auch noch genüsslich ein Sandwich aß, war zu viel. Leicht zitternd vergrub sie sich in ein kleines Kopfkissen. Es war in der Tat für Wilma ein Flug des Leidens. 

Landeanflug: Langsam ging es tiefer, gelegentlich schüttelte uns der Wind ein wenig. Jedermann kannte das, war eigentlich immer irgendwie schön, macht die Fliegerei sofort aufregender. Nur Wilma sah das wieder ganz anders. Besonders dann, als uns ein paar Fallwinde, auch Luftloch genannt, zu schaffen machten. „Der stürzt doch jetzt nicht ab, oder? Sag die Wahrheit …“ Ach Wilma …

Die Landebahn kam in Sicht, Wilma klammerte sich an mir fest, mied jeden Blick aus dem Fenster: „Sag einfach wenn es vorbei ist, ok?“ Wir setzten auf. „Ich hab´s gewusst, das ist was kaputt, wie das aber auch gerumst hat … Haben die auch ein Rettungsteam hier …?“

Ich kam nicht umhin, erklärte ihr die Beerdigungskosten gingen in diesem Fall auf´s Haus. Leider bekam das Girl nun aber doch mit das wir wieder am Boden sind. „Spinn nicht so rum, Alter, nochmal mache ist das nicht mit!“ Sie bekräftigte das während des Ausstiegs wiederholt und als die Stewardess zum Abschied fragte, ob ihr der Flug gefallen habe, da kam ein Blick, für den hätte man bereits einen Waffenschein gebraucht.

Ich kann noch berichten, Wilma ließ den Rückflug verfallen, nahm den Zug. Und sie grollte mir wohl recht heftig, denn danach hörte ich niemals mehr von ihr. 

Wenn ich also mal wieder nach Minga fliege und vor mich hin lächele, nicht wundern, ich denke nur an den Flug mit Wilma. Fliegen kann so schön sein …

 

 

 

Veröffentlicht von:

Ulli Zauner

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