Musik liegt in der Luft

Wir wissen es doch, Musik beschwingt, macht gute Laune, ein Tschallallalla-Gefühl liegt in der Luft. Doch auf die Texte wird häufig weniger geachtet, zumal die überwiegend recht oberflächlich bis langweilig sind. Nicht jeder mag wissen ob ein Sänger noch 1000 Emails checken muss, um die Welt zu retten oder ob die Chöre für Dich oder mich singen. Trotzdem sollte man mal genauer hinhören, sind doch einige Texte auch aus der uralten Vergangenheit aktueller denn je.
Als 1930 im jungen Radio ein Otto Reutter seine recht bissigen Lieder vortrug, war es nicht die Begleitmusik, die begeisterte, nein, es waren ausschließlich seine Texte. Mitten aus dem Leben und oft genug von zeitloser Bedeutung. Zum Beispiel: Nehm Se nen Alten … Humor, Satire, dabei recht vorstellbar die einzelnen Beweggründe für Frau, sich nen Alten zu nehmen. Unter anderem bewirbt er Beamte durch ihre schöne Pension. Die heutige Versorgungsplanung mittels Scheidungsromantik war damals noch recht selten. Aber dann: In hundert Jahren ist alles vorbei … gilt heutzutage natürlich ebenso.
Zitat: Es wird alle Tage schöner in diesem Jammertal, wer heut’ noch nicht verrückt ist, der ist nicht ganz normal. Doch wenn auch manches heute die Sinne uns verwirrt, ‚s gibt Gott sei Dank noch Leute, die sagen unbeirrt: ‚Es geht vorwärts, es geht vorwärts!
Kommt uns das nicht bekannt vor? Machen wir lieber einen Zeitsprung in die 50er, 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, bevor wir zu nachdenklich werden.
Spontan fällt mir Paul Kuhn ein, als er Pink Carnation in Deutsch textete und sang: Trag weiß, statt rot … nicht mehr ganz passend, vermutlich müsste er heutzutage Grün statt Weiß besingen. Rot bleibt bestehen, im Song zumindest. Deutlicher wurden dann die aus den USA herüber geschwappten frühen Protestsongs, die oft inhaltlich nicht verstanden wurden, dafür gefiel die Melodie. If I had a hammer … dies war eines jener Liedchen, die ursprünglich nicht für die Hitparaden gedacht waren, doch Trini Lopez feierte damit riesige Erfolge. Alle sangen mit, klatschten im Takt und dachten sich weiter nichts dabei, obwohl der Ursprung wenig rühmlich war.
Danach kamen die Schmalztexte. Peter Kraus beschrieb seine Mädchen als sooo lieb und nett, vom Hula Baby bis zum Baby Doll. Dabei blieb es selbstverständlich nicht. Mehr den aktuellen Geschehnissen verpflichtet, ohne dabei gleich die Keule zu schwingen, wurde durch einige Liedsänger Stücke populär, die vollkommen gegensätzlich zum allgemeinen Trend komponiert und hervorragend im Text daherkamen. Wer denkt nicht gerne an Ulrich Roski, dessen Alltagsbeschreibungen in perfekter Lyrik stets absolut zutreffend waren. Wobei er sich nicht scheute auch Vorurteile humoristisch zu verarbeiten. Oma Bella Roma gehört und ja, da ist was dran. Busreisen gibt es immer noch und die Reisebeschreibung bleibt aktuell. Die Eindeutschung englischer Worte in unsere Sprache nahm er schon damals aufs Korn. I´m a lonesome raider und dann erklärte er seinem Boss: Men, die Cow ist über´n fence gejumped und hat dann deinen Benz gerammt. Inzwischen wurde die deutsche Sprache bekanntlich weitaus mehr an die angelsächsischen Begriffe angepasst. Alte Rentner, deren Schulkenntnisse bezüglich Fremdsprachen eher bescheiden sind, benötigen demnächst einen elektronischen Simultanübersetzer, um beim Bäcker noch ein Brötchen kaufen zu können. Welches payment wünschen Sie? Cash oder Card? To go oder gleich hier? Logisch, dass demnächst Deutsch als erste Fremdsprache in den Schulen auftaucht.
Aus der Art geschlagen begann Hildegard Knef recht ernste Töne in die Musikszene zu bringen. Von nun an gings bergab! Das war ein Erfolgssong, aktueller denn jemals zuvor. Kommt sicherlich bald auf den Index, verschwindet aus der Musikliteratur. Muss man nicht zwingend hören, durchlebt man auch so.
Hört man Rainhard Mey im Radio, freut man sich über seinen feinsinnigen Humor. Dabei kommen auch häufiger besinnliche Texte vor. Gut wie immer, egal um was es geht. Verbleibt aber die Frage unter Berücksichtigung aktueller Meinungsbildung, nämlich: Darf er noch von Über den Wolken singen oder ist dies eine politisch unkorrekte Verherrlichung umweltschädigender Transportmittel? Nichts ist mehr unmöglich, heutzutage.
Apropos: Es existieren tatsächlich alte Gassenhauer, die man besser aus dem Gedächtnis streicht. Zu groß ist das Risiko unerwünschter Konsequenzen. Im ausgehenden 19. Jahrhundert sang man oft: Mutter, der Mann mit´m Koks ist da …, was viel später von Falco etwas anders gedeutet wurde und wer es jetzt laut aus der Einsamkeit seiner Behausung singt, bleibt nicht mehr lange einsam, ein Bus mit vielen, vielen uniformierten Bürgern kommt ruck-zuck vorbei!
Kennen Sie noch folgenden Song: Kein Alkohol ist auch keine Lösung …? Kann man nun so oder so sehen, wie wär´s mit einem aktualisierten Text? Alles auf Grün ist auch keine Lösung … oh, ich schweife ab.
Ironisch lustig gab sich Cindy Lauper, eine US-Sängerin mit quitschig-schreiender Stimme und sie war das, was man oft als Rockgöhre bezeichnete. Schrill, laut und bunt, hörte man sie in vielen Discos oder Kneipen. Das lustige dabei war die mangelhafte Kenntnis amerikanischen Slangs für ihre deutschen Fans. Selbst Radiosender fielen häufiger darauf herein. Erinnert sich jemand an She bop? Präzise übersetzt ist bop ein Synonym für masturbieren … kaum jemand hats gemerkt.
Aber jeder hat schon von der oft zitierten Frauenfeindlichkeit gehört. Andersherum gibt es das auch, die Männerfeindlichkeit! Ich denke an Gitte: So schön kann doch kein Mann sein … aber ich grolle ihr nicht. Schließlich hat sie mich niemals persönlich getroffen. Man darf da nicht zu streng sein.
Ein Allzeithoch bleibt: ´Nen Besuch im Zoo, dieses unschuldige Liedchen kam mir unfreiwillig in den Sinn, gerade als ich den Bundestag besichtigte. Urplötzlich, ohne erklärlichen Hintergrund, tauchte die Melodie im Kopf auf. Dabei mochte ich das Stück überhaupt nicht, ein Ohrwurm halt, den man zu den unpassendsten Momenten urplötzlich vernimmt. Verbleibt die Frage des Lesers: Was hören Sie denn nun am liebsten? Auf neudeutsch heißt das vermutlich Retro-Song: Du bist verrückt mein Kind, Du musst nach Berlin …
Was man damals schon so alles wusste, bewundernswert!

Veröffentlicht von:

Ulli Zauner

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