Messianische Juden in Deutschland und Israel – Wie viele sind es?

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Im Februar 2022 veröffentlichte das Caspari Center in Jerusalem ein neues Buch mit dem Titel “Jesus-Believing Israelis: Exploring Messianic Fellowships”. Das Medium “Israel Heute” berichtete darüber. Dieser zeitgemäße und informative Überblick bestätigt gleichsam einmal mehr, dass Deutschland neben Russland, der Ukraine, den USA und Israel zu einem Zentrum des messianischen Judentums geworden ist. Nicht zuletzt durch die Zuwanderung aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks.

“Als einen Schritt zur Revitalisierung jüdischen Lebens emigrierten seit dem Beschluss der Bonner Ministerpräsidentenkonferenz vom 9.1.1991 bis 2006 rund 227.000 jüdische Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion mit ihren Familienangehörigen nach Deutschland; darunter auch messianische Juden.” (Quelle: REMID, Deutschland)

Legt man die als Juden aus der ehemaligen Sowjetunion eingewanderten Menschen zugrunde und vergleicht sie mit den Zahlen der Mitgliederzahl des Zentralrates der Juden in Deutschland (ca. 100.000), ergibt sich eine Dunkelziffer von etwas 120.000 Menschen als “Juden ohne Gemeidezugehörigkeit” (REMID im Abgleich mit später Eingewanderten, Ausgewanderten, Sterbefällen und Geburten).

Nun muss man wissen, dass messianisch-jüdische Gemeinden in aller Regel ihre Mitglieder nicht den Einwohnermeldeämtern bekannt geben, da sie weder von traditionell christlicher noch von nicht-messianisch jüdischer Seite als Bereicherung erfahren werden – im Gegenteil. So wie auch aus der Kirche ausgetretene Christen, die zu einer Freikirche wechseln, oft unerfasst bleiben ergeht es auch den messianischen Juden. Sie werden in den wenigen Erhebungen meist in der Rubrik “Juden ohne Gemeindezugehörigkeit” oder unter ähnlichen Bezeichnungen quasi versteckt.

Betrachtet man die Mitgliederzahl (Einzelpersonen) des Zentralrates der Messianischen Juden in Deutschland, Österreich und der Schweiz von rund 14.500 (davon etwa 12.800 messianische Juden; die Übrigen: Altapostolen, Urgemeindler und Panentheisten) und die 43 Gemeindemitgliedschaften, kann man getrost von rund 25.000 bis 30.000 messianischen Juden in Deutschland ausgehen – gemeindlich aktive ebenso wie passive.

Dass dies wenig bekannt ist, liegt nicht zuletzt daran, dass fast alle messianisch jüdischen Gemeinden Graswurzelgemeinschaften sind, die ohne Staat, als Störfaktor nicht gewollt und ohne fremde Gelder in Deutschland lange Zeit nicht einmal ansatzweise ordentlich organisiert waren. Sie hatten mit dem Ankommen in der neuen Heimat, dem Gemeindeaufbau und dem Erlernen der Gepflogenheiten einer Interessenvertretung genug zu tun und waren aus- und überlastet. Dies ist inzwischen anders.

Nun der Blick zurück nach Israel: Die Autoren David Serner und Alexander Goldberg haben laut “Israel Heute” sowie anderen Medien eine landesweite Umfrage durchgeführt, um den gegenwärtigen Stand der Dinge innerhalb der messianisch jüdischen Gemeinschaft in Israel zu beleuchten. Es ist jedoch anzumerken, dass nicht alle israelischen Gemeinden bereit waren, sich an der Umfrage zu beteiligen. Andere stellten nur Teilinformationen zur Verfügung. Dennoch wurden die Zahlen zwischen 2018 und 2021 erhoben. Verschiedene messianische Gemeinschaften wurden dabei berücksichtigt. Der Begriff “Gemeinschaft” umfasst dabei Gemeinden, Hauskreise und Gebetshäuser.

Es wurden auch solche Personen berücksichtigt, die den örtlichen messianischen Gemeinschaften angehören, ohne jüdischer Abstammung (Mutterlinie) zu sein. In diesen Gemeinschaften bilden in Israel nach den vorliegenden Zahlen die Juden qua Abstammung die Mehrheit, während die Konvertiten in der Minderheit sind. Die messianischen Konvertiten sind sowohl in gemischten Ehen mit jüdischen Ehepartnern als auch als alleinstehende Mitglieder zu finden. Insgesamt haben, gemäß den Autoren der Erhebung, 55% der Mitglieder in den Gemeinschaften ein jüdisches Erbe. Dabei wurde bei der Erhebung der Grundsatz befolgt, dass mindestens ein Großelternteil jüdisch sein sollte. Dies gilt zum Beispiel für viele Olim (Neueinwanderer) aus den ehemaligen Sowjetländern (UdSSR), aus Äthiopien und auch für solche, die aus westlichen Staaten kommen. Dieses Kriterium beruht auf dem israelischen Rückkehrgesetz, demzufolge mindestens ein Großelternteil ausreicht, um Aliyah ("Aufbruch", Einwanderung nach Israel) zu machen. Die Abstammung über einen Großelternteil als Kriterium ist weltweit eine Rarität und findet sich, außer in Israel, nur noch in der Hellenischen Republik (Griechenland).

Das Ergebnis der Erhebung sei gemäß den Quellen wie folgt: Anzahl von messianisch jüdischen Gemeinschaften in Israel: 280. Gesamtzahl der Gläubigen: ca. 15.300, davon Erwachsene welche aus offizieller israelischer Sicht Juden sind: 8.125. Von der Gesamtanzahl war für ca. 6.500 Hebräisch die Muttersprache. In der Aufschlüsselung der Gemeinschaften nach Sprachen fand sich als Gemeindesprache: Russisch in 136 Gemeinden, Hebräisch in 83, Amharisch in 30, Englisch in 16, Spanisch in 6 und Rumänisch in 2.

Das bedeutet bei einer jüdischen Bevölkerung in Israel von rund 7.200.000, dass 2 von 1000 Juden in Israel messianisch sind. Das ist, wie erwartet, “nicht Nichts”, aber nur eine kleine Minderheit im engeren Sinne des Wortes. So stellt sich natürlich die Frage, warum 15.300 von 7.200.000 Juden in Israel eine solche – meist wenig freundliche – Aufmerksamheit erfahren? Offenbar hat der jüdische Staat, den auch die messianischen Juden lieben, stüzten und verteidigen, Sorge vor einer messianischen Missionsarbeit, meist gesteuert von evangelikalen Gruppierungen aus den Vereinigten Staaten. Das kann man verstehen, wenn auch diese “Gefahr” wohl etwas überschätzt wird.

So bleibt als Fazit, dass Deutschland (und in bescheidenem Maße auch Österreich und die Schweiz) jenes Land ist, in dem nunmehr die meisten authentischen messianischen Juden leben, die nicht von fundamentalistischen amerikanischen Evangelikalen aggressiv missioniert wurden.

Wer sich in den Vereinigten Staaten als messianischer Jude bezeichnet und keine jüdische Abstammung hat, ist mit über 95%iger Wahrscheinlichkeit eher ein missionarischer Evangelikaler aus dem Bible Belt denn ein Jude. Ein Grund mehr für die Skepsis, gerade aufgrund der engen Beziehungen und des regen kulturellen Austauschs zwischen den Vereinigten Staaten und Israel.

Als Interessenvertreter der messianischen Juden im deutschsprachigen Raum kommt uns damit eine besondere Verantwortung zu, der wir uns bewusst sind. Daher entwickelte sich auch unser Zentralrat bewusst schrittweise und organisch. Insbesondere lehnen wir die bereits erwähnte messianische “Judenmission” strikt ab und zeigen uns in dieser schwierigen Frage mit dem ZdJ und anderen nicht-messianischen Institutionen solidarisch.

Allerdings erlebt auch der Zentralrat der Messianischen Juden in Deutschland, Österreich und der Schweiz Abwertung Anfeindungen von nicht-messianischer Seite, meist von Funktionären anderer Richtungen. Auf der individuellen Ebene, wo man sich persönlich kennt, sind die Dinge harmonischer. Es ist eine alte Erkenntnis, dass man umso mehr Reibungen hat, je näher man sich steht. “Familienstreit” war schon immer ein Problem, in allen Religionen.

Veröffentlicht von:

Zentralrat der freigemeindlichen und messianischen Juden in Deutschland, Österreich und der Schweiz

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