Die Höchstgeschwindigkeit der Quanten

Wie schnell kann Elektronik werden? Wenn Computerchips mit immer kürzeren Signalen und immer kleineren Zeitabständen arbeiten, stößt man irgendwann auf physikalische Grenzen: Die quantenmechanischen Prozesse, die in einem Halbleitermaterial die Entstehung von elektrischem Strom ermöglichen, brauchen ihre Zeit. Schneller ist Signalentstehung und Signalübertragung einfach nicht möglich.

Diese Grenzen konnten TU Wien, TU Graz und das Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching nun gemeinsam ausloten: Spätestens bei etwa einem Petahertz (eine Million Gigahertz) kann die Geschwindigkeit nicht weiter gesteigert werden, selbst wenn man das Material auf optimale Weise mit Laserpulsen anregt. Dieses Resultat wurde nun im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.

Vom Feld zum Strom
Elektrischer Strom und Licht (also elektromagnetische Felder) gehören untrennbar zusammen. Das ist auch in der Mikroelektronik so: In Mikrochips wird Strom mit Hilfe elektromagnetischer Felder kontrolliert. So kann man etwa ein elektrisches Feld an einen Transistor anlegen, und je nachdem, ob das Feld eingeschaltet ist oder nicht, lässt der Transistor Strom fließen oder blockiert ihn. So wird ein elektromagnetisches Feld in ein Stromsignal umgewandelt.

Wenn man die Grenzen dieser Umwandlung von elektromagnetischen Feldern zu Stromsignalen ausloten möchte, dann verwendet man statt Transistoren vorzugsweise Laserpulse – die schnellsten, präzisesten elektromagnetischen Felder, die es gibt.

„Man untersucht ein Material, das zunächst keinen elektrischen Strom leitet“, erklärt Prof. Joachim Burgdörfer vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. „Es wird mit einem ultrakurzen Laserpuls mit einer Wellenlänge im extremen UV-Bereich beschossen. Dieser Laserpuls bringt die Elektronen in einen energiereicheren Zustand, sodass sie sich plötzlich frei bewegen können. So wird das Material durch den Laserpuls kurzfristig zum elektrischen Leiter.“ Sobald sich im Material frei bewegliche Ladungsträger befinden, können sie von einem zweiten, etwas längeren Laserpuls in eine bestimmte Richtung bewegt werden. So entsteht ein elektrischer Strom, der dann mit Elektroden auf beiden Seiten des Materials detektiert werden kann.

Diese Vorgänge laufen extrem schnell ab – auf einer Zeitskala von Atto- oder Femtosekunden. „Lange Zeit hat man solche Prozesse als instantan betrachtet“, sagt Prof. Christoph Lemell (TU Wien). „Heute allerdings haben wir die technologischen Möglichkeiten, den zeitlichen Ablauf dieser ultraschnellen Vorgänge im Detail zu studieren.“ Die entscheidende Frage ist: Wie schnell reagiert das Material auf den Laser? Wie lange dauert die Signalentstehung und wie lange muss man warten, bis das Material dem nächsten Signal ausgesetzt werden kann? Die Experimente dazu wurden in Garching und Graz durchgeführt, die theoretische Arbeit sowie aufwändige Computersimulationen entstanden an der TU Wien.

Zeit oder Energie – aber nicht beides
Man stößt bei diesem Experiment auf ein klassisches Unschärfe-Dilemma, wie es in der Quantenphysik oft vorkommt: Um die Geschwindigkeit zu erhöhen, braucht man extrem kurze UV-Laserpulse, damit sehr rasch freie Ladungsträger entstehen. Extrem kurze Pulse bedeuten aber, dass man den Elektronen nicht eine ganz bestimmte präzise definierte Energie überträgt, sondern die Elektronen ganz unterschiedliche Energien aufnehmen können. „Man kann zwar genau sagen, zu welchem Zeitpunkt die freien Ladungsträger entstehen, aber nicht in welchem Energiezustand sie sich danach befinden“, sagt Christoph Lemell. „Festkörper haben unterschiedliche erlaubte Energie-Bänder, und mit kurzen Laserpulsen werden viele von ihnen zwangsläufig gleichzeitig von freien Ladungsträgern bevölkert.“

Je nachdem, wie viel Energie sie tragen, reagieren die Elektronen ganz unterschiedlich auf das elektrische Feld. Wenn ihre exakte Energie unbekannt ist, kann man sie daher nicht mehr präzise steuern, und das Stromsignal, das am Ende entsteht, wird verfälscht – besonders bei hohen Laser-Intensitäten.

„Daraus ergibt sich, dass bei etwa einem Petahertz eine Obergrenze für kontrollierte optoelektronische Prozesse liegt“, sagt Joachim Burgdörfer. Das heißt freilich nicht, dass man Computerchips mit einer Taktfrequenz von knapp unter einem Petahertz herstellen kann – realistische technische Obergrenzen liegen wohl noch deutlich darunter. Klar ist: Gewisse Grenzen lassen sich nicht überlisten, aber mit ausgeklügelten Methoden kann es gelingen, diese Grenzen auszuloten und genau zu verstehen.

Originalpublikation
M. Ossiander et al., The speed limit of optoelectronics, Nature Communications (2021). DOI: 10.1038/s41467-022-29252-1, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

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