„Zangenangriff“ auf Transkriptionsfaktoren bietet neue Möglichkeiten für zukünftige Blutkrebstherapien

Forschung an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften belegt synergistische Wirkung bei Hemmung zweier Regulatorproteine bei Multiplem Myelom.

 

Krems (Österreich), 16. Oktober 2024: Die gleichzeitige Hemmung der Transkriptionsfaktoren Myc und JunB könnte eine richtungsweisende Therapieoption zur Behandlung des Multiplem Myeloms, der zweithäufigsten Blutkrebsart, darstellen. Das ist das herausragende Ergebnis einer aktuellen Studie, die ein Team der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL Krems) gemeinsam mit österreichischen und amerikanischen Kolleginnen und Kollegen durchgeführt hat. Darin konnte erstmals gezeigt werden, dass die beiden regulatorischen Proteine unabhängige Wirkungen in Zellen des Multiplem Myeloms haben. Die simultane Hemmung beider Proteine bewirkte somit einen synergistischen Anti-Tumor-Effekt.

 

Das Multiple Myelom (MM) ist die zweithäufigste Krebserkrankung blutbildender Zellen und gilt trotz enormer therapeutischer Fortschritte während der letzten zwei Dekaden immer noch als unheilbar. Vor diesem Hintergrund forscht das Team um Univ.-Prof. Mag. DDr. Klaus Podar, Leiter des Fachbereichs Molekulare Onkologie und Hämatologie an der KL Krems und Oberarzt an der Klinischen Abteilung für Innere Medizin 2 am Universitätsklinikum Krems (einem Lehr- und Forschungsstandort der KL Krems), seit mehreren Jahren daran, Tumor-assoziierte Transkriptionsfaktoren, die bisher als medikamentös nicht beeinflussbar gegolten haben, therapeutisch anzugreifen. Transkriptionsfaktoren sind Proteine, die an spezifische DNA-Sequenzen binden, um die Expression von Genen zu regulieren. Für einen davon, den Transkriptionsfaktor JunB, konnte das Team in mehreren Arbeiten zeigen, dass seine Aktivierung sowohl das Wachstum von MM-Zellen fördert, als auch für deren Resistenzen gegen Medikamente verantwortlich zeichnet. Weiterhin steigert er die Vermehrung von tumorfördernden Blutgefäßen im Knochenmark. Jetzt berichtet die Gruppe von einer weiteren Entdeckung: Die Wirkung von JunB in Zellen des MMs ist unabhängig von Myc, einem weiteren Transkriptionsfaktor.

 

Getrennte Wege

Tatsächlich ist Myc ein „altbekanntes“ Regulatorprotein, das bei der Entstehung zahlreicher Krebsarten, unter anderen eben des MMs, eine Rolle spielt. Die Hemmung dieses Proteins führt daher – genauso wie bei JunB – zu verschiedenen therapeutischen Effekten in den Krebszellen. Bislang war jedoch unklar, ob die beiden Regulatorproteine auf gemeinsame Ziele in der Zelle wirken oder unabhängige Signalwege beeinflussen. Dem Team um Prof. Podar ist nun genau dieser Nachweis gelungen.

 

Für den wissenschaftlichen Beleg wurden mehrere unabhängige Ansätze verwendet. Zunächst wies das Team nach, dass in MM-Zellen die Expression der jeweiligen Gene für die beiden Transkriptionsfaktoren unabhängig voneinander gesteuert wird. „Das war für uns ein erster Hinweis, dass JunB und Myc tatsächlich weitestgehend unabhängige Signalwege in MM-Zellen ansteuern könnten“, erläutert Prof. Podar. Der konkrete Nachweis gelang mit weiteren Analysen. Diese zeigten, dass die zellulären Ziele, die von JunB oder Myc beeinflusst werden, tatsächlich unterschiedlich sind. Weitere Untersuchungen zur Struktur der Transkriptionsfaktoren ließen Rückschlüsse auf ihre Bindungsstellen an der DNA zu und bestätigten damit die Unabhängigkeit der Faktoren.

 

In die Zange genommen

„Uns hat dann natürlich sofort interessiert“, so Prof. Podar, „ob die gleichzeitige Hemmung beider Transkriptionsfaktoren eine sich verstärkende – also synergistische – Wirkung gegen MM-Zellen haben würde.“ Dazu führte das Team dann mehrere Experimente durch, in denen die Transkriptionsfaktoren einzeln oder gemeinsam durch Therapeutika oder genetische Methoden gehemmt wurden. „Und tatsächlich: Ein solcher Zangenangriff auf die MM-Zellen, bei dem beide Faktoren gleichzeitig gehemmt wurden, bewirkte sowohl in Zell- als auch in Tiermodellen eine verstärkte Zunahme des Absterbens von MM-Zellen im Vergleich zur Einzelhemmung“, erklärt Prof. Podar. „Unsere Anstrengungen sind nun darauf gerichtet, Substanzen zu identifizieren beziehungsweise neu zu entwickeln, die erfolgreich bei Patientinnen und Patienten in der Klinik eingesetzt werden können.

 

Die aktuell im Blood Cancer Journal veröffentlichte Arbeit zeigt damit eine mögliche, neue Therapieoption für die Behandlung des MMs auf und entspricht so dem Forschungsfokus der KL Krems. Dieser liegt auf präklinischer Forschung mit hoher Relevanz für Patientinnen und Patienten. Die Arbeit wurde unter der Koordination von Prof. Podar mit Kolleginnen und Kollegen der Harvard Medical School (USA), der Medizinischen Universität Wien, der Veterinärmedizinischen Universität Wien sowie der University of Science and Technology in Wuhan (China) durchgeführt.

 

Originalpublikation: Dual therapeutic targeting of MYC and JUNB transcriptional programs for enhanced anti-myeloma activity. J. Lind, O. Aksoy, M. Prchal-Murphy, F. Fan, M. Fulciniti, D. Stoiber, L. Bakiri, E. F. Wagner, E. Zwickl-Traxler, M. Sattler, K. Kollmann, S. Vallet and K. Podar. Blood Cancer Journal (2024)14:138. https://kris.kl.ac.at/de/publications/dual-therapeutic-targeting-of-myc-and-junb-transcriptional-progra

 

Bilder auf Anfrage verfügbar.

 

Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (Stand 10/2024)

Die Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL Krems) ist eine europaweit anerkannte Bildungs- und Forschungseinrichtung am Campus Krems. Die KL Krems bietet eine moderne, bedarfsorientierte Aus- und Weiterbildung in der Medizin und Psychologie sowie ein PhD-Programm im Bereich Mental Health and Neuroscience an. Das flexible Bildungsangebot ist auf die Bedürfnisse der Studierenden, die Anforderungen des Arbeitsmarkts sowie auf die Herausforderungen der Wissenschaft abgestimmt. Die drei Universitätskliniken in Krems, St. Pölten und Tulln sowie das Ionentherapie- und Forschungszentrum MedAustron in Wiener Neustadt gewährleisten eine klinische Lehre und Forschung auf höchstem Qualitätsniveau. In der Forschung konzentriert sich die KL auf interdisziplinäre Felder mit hoher gesundheitspolitischer Relevanz – u.a. der Biomechanik, der molekularen Onkologie, der mentalen Gesundheit und den Neurowissenschaften sowie dem Thema Wasserqualität und den damit verbundenen gesundheitlichen Aspekten. Die KL wurde 2013 gegründet und von der Österreichischen Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung (AQ Austria) akkreditiert. https://www.kl.ac.at/

 

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